
© Messe München / Markus Broenner
Nachhaltigkeit als strategische Aufgabe: Praxistauglichkeit im Trend
Nachhaltigkeit bleibt nicht nur ein strategisches, sondern auch ein sehr dynamisches Feld. Welche Entwicklungen die Messebranche beschäftigen, erläutern die AUMA-Experten Barbara-Maria Lüder und Nikolai Mizin.

In der neu gegründeten Abteilung Politik, Recht und Nachhaltigkeit im AUMA engagieren sich Barbara-Maria Lüder und Nikolai Mizin für alle Themen rund um die nachhaltige Messe.
© AUMA / Steffen Kugler
Europa will seine Wettbewerbsfähigkeit stärken. Dieses Ziel will die Europäische Union durch den Abbau von Bürokratie erreichen. Auch für die deutsche Messewirtschaft ist das Signal aus Brüssel zu vernehmen. Viele Unternehmen der Branche wünschen sich, mehr Ressourcen in die eigentliche Nachhaltigkeitstransformation investieren zu können, anstatt sie vor allem für das Erfüllen von Informationspflichten aufwenden zu müssen.
Höhere Schwellenwerte, verschobene Fristen und gestraffte Standards: Die Vorschläge der EU-Kommission aus der sogenannten Omnibus-Initiative sollen die Berichterstattungsrichtlinie CSRD, die Lieferkettenrichtlinie CSDDD sowie die EU-Taxonomieverordnung maßgeblich vereinfachen. Bisher konnte nur die zeitliche Verschiebung der Berichterstattungspflichten – darunter der CSRD um zwei Jahre – auf EU-Ebene verabschiedet werden. Bei der Definition der betroffenen Unternehmen und dem Umfang der gewünschten Berichte müssen Unternehmen aber weiterhin langen Atem haben: Eine Einigung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat und der EU-Kommission wird Ende 2025 erwartet.
Messebranche braucht Rechtssicherheit
Entstanden ist eine Ungewissheit, die zugleich Risiken birgt, insbesondere für Unternehmen in der Messewirtschaft, die bereits an der Nachhaltigkeitsberichterstattung arbeiten und die in Ressourcen und Lösungen investieren, um Compliance sicherzustellen. Aus diesem Grund forderte der Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA kurz nach der Bekanntmachung der Omnibus-Initiative von den Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Brüssel und Berlin eine Beschleunigung des Verfahrens und die Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit. Ebenso wichtig ist, mit welchen Zielen sich Deutschland künftig an den weiteren Verhandlungen beteiligt. Mit Interesse nimmt die deutsche Messewirtschaft die Aussage im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf, sich dafür einzusetzen, dass kommunale Unternehmen von Berichtspflichten ausgenommen werden.
Mit dem Omnibus-Vorschlag ist Brüssel bestrebt, auf Reportingpflichten für kleinere Unternehmen zu verzichten. Doch der Druck kommt oft von anderer Seite: Gesellschafterinnen und Geschäftspartner, aber auch zunehmend Banken und Versicherer sind auf Informationen zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG) von den Unternehmen angewiesen. Hier soll ein einheitlicher, weniger umfassender Standard für freiwillige Berichterstattung geschaffen werden. Wie eine Art Schutzschild soll diese Berichtsmatrix den Anfragen seitens der Stakeholder genügen. Dieser Standard wird allerdings wohl erst 2026 rechtlich verankert.
„Auch unabhängig von den Entwicklungen in Brüssel bleibt Nachhaltigkeit ein zentrales Thema für die Messewirtschaft.“
Nachhaltigkeit bleibt zentrales Zukunftsthema
Die EU setzt mit den vorgeschlagenen Erleichterungen auf Praxistauglichkeit der Vorschriften und auf Unternehmensentlastung, ohne die Nachhaltigkeitsziele aus dem Blick zu verlieren. So sollen neue Regelwerke in Kraft treten, die die Dekarbonisierung vorantreiben. Ein Beispiel dafür ist die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR), die die Messebranche zum Beispiel beim Standbau oder im Cateringbereich tangiert.
Auch unabhängig von den Entwicklungen in Brüssel bleibt Nachhaltigkeit ein zentrales Thema für die Messewirtschaft. Hier geht es zum Beispiel um die Klimaziele auf Landes- oder kommunaler Ebene, die teilweise deutlich ambitionierter ausfallen als das bundesweit angestrebte Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045. Da viele Messegesellschaften kommunale Unternehmen sind, ist die Erwartung entsprechend hoch – gerade aufgrund ihres Vorbildcharakters im öffentlichen Raum.

Insgesamt 164 Ladepunkte finden sich auf den Parkdecks unmittelbar auf den Messehallen, auf dem Gelände und in den Parkhäusern.
© Koelnmesse / Uwe Weiser

Alles Öko(strom) bei der Koelnmesse
© Koelnmesse / Hanne Engwald
Kreislaufwirtschaft gewinnt an Bedeutung
Ein weiteres strategisches Thema in der Nachhaltigkeitsdiskussion ist die Kreislaufwirtschaft. Die im Dezember 2024 vom Bund beschlossene Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) ist ein wichtiger Schritt auf dem Transformationsweg hin zu einer zirkulären Wirtschaft. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft hilft, Abfälle und Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig hilft das Prinzip dabei, der zunehmenden Verknappung natürlicher Ressourcen entgegenzuwirken, innovative kreislauforientierte Geschäftsmodelle zu entwickeln und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. Positiver Nebeneffekt ist, dass langfristig spürbar Kosten gesenkt werden können, auch im Bereich der Messewirtschaft.
Im vergangenen Jahr haben die Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft, kurz fwd:, und der AUMA miteinander den sogenannten Ressourcen-Tisch ins Leben gerufen. In diesem regelmäßigen Austauschformat diskutieren Messebau-Unternehmen, Lieferanten und Messegesellschaften über Herausforderungen und Lösungen im Umgang mit Ressourcen bei Messeveranstaltungen. Gemeinsam wollen die Teilnehmenden bereits bestehende Anleitungen zur Abfallvermeidung gewinnbringend zusammenführen und aus dem vorhandenen Know-how Leitlinien für den Einsatz von nachhaltigen Materialien erarbeiten.
Darüber hinaus beschäftigt sich ein Projekt der Hochschule Osnabrück mit der Modellierung von typischen Messeständen und -hallen. Dazu untersuchen die Studierenden, mit welchem Energieaufwand welche Materialien beim Standbau benötigt werden und welche Emissionen, Abfallmengen, aber auch wiederverwertbare Materialien und Produkte beim Standbau anfallen. Aus der Praxis sind neben der Leipziger Messe und dem AUMA auch das Fachmagazin „tw Tagungswirtschaft“, die Nachhaltigkeitsagentur 2bdifferent sowie die Messearchitekten imb troschke beteiligt. Gefördert wird das Vorhaben von der Bundesstiftung Umwelt. Ziel ist es, konkrete Handlungsempfehlungen für zirkuläres Wirtschaften in der Branche zu erarbeiten, um Nachhaltigkeit in der Messewirtschaft messbar, wirksam und zukunftsgerichtet zu gestalten.
Barbara-Maria Lüder (Jahrgang 1973), Managerin Recht, Steuern, Technik und Nachhaltigkeit, ist seit 2006 im AUMA für Recht, Steuern und Technik verantwortlich, seit 2008 auch für Nachhaltigkeit. Die Juristin war vor ihrem in Kiel und Berlin absolvierten Studium als Hotelfachfrau in Hamburg tätig.
Seit Beginn des Jahres 2025 verstärkt Nikolai Mizin (Jahrgang 1985), Manager Nachhaltigkeit, die neu gegründete Abteilung Politik, Recht und Nachhaltigkeit im AUMA als Manager Nachhaltigkeit. Zuvor verantwortete der gebürtige Sankt Petersburger das Themenfeld in Wirtschaftsverbänden und im öffentlichen Sektor.