„Schnell erkannt, dass Mitarbeitende durch KI unterstützt werden“
Interview mit Dr. Christian Plenge, Executive Director Digital Strategy & Communication bei der Messe Düsseldorf
Lieber Christian Plenge, 2023 hat die Messe Düsseldorf ein Pilotprojekt abgeschlossen, das den Einsatz von künstlicher Intelligenz, kurz KI, testen sollte. Worum ging es genau?
Das Thema künstliche Intelligenz hat im Jahr 2023 durch die Fortschritte im Bereich der generativen KI einen enormen Schub erhalten und ist branchenübergreifend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Bei der Messe Düsseldorf haben wir bereits in der Vergangenheit mit Systemen für unsere Kundinnen und Kunden gearbeitet, die KI beinhalten, sei es bei unserem Matchmaking-System oder dem Chatbot auf unserer Website. Was wir gelernt haben: Klassische KI-Systeme, die eigenständig Entscheidungen treffen oder aus Verhalten lernen, benötigen extrem viele Daten. Unsere Fallzahlen sind für solche Algorithmen zu klein.
In unserem aktuellen Pilotprojekt hingegen hatten wir dieses Problem nicht, weil die generative KI von ChatGPT aus den Gigamillionen von Daten im Internet lernt und ihre Fähigkeiten nicht von unseren Datenbeständen abhängen. Es ging also darum, die neuen Möglichkeiten auszuprobieren und Chancen und Risiken zu verstehen. Zu diesem Zweck nutzten zwei Abteilungen der Messe Düsseldorf – MarCom und IT – generative KI von ChatGPT, beispielsweise für die kreative Texterstellung oder die Programmierung, und versuchten, ihre Arbeit mithilfe der Technologie zu optimieren. Dies geschah in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat und wurde genau dokumentiert.
Welche Aufgaben könnten die intelligenten Maschinen konkret im Messegeschäft übernehmen?
Die Anwendungsbereiche von KI hängen von der Art der KI ab. Generative KI wie ChatGPT kann sinnvoll eingesetzt werden, um Mitarbeitende bei der Erstellung von Inhalten, Bildern, Programmen und vielem mehr zu unterstützen.
Individuell entwickelte künstliche Intelligenz auf der Basis von Large Language Models, kurz LLM, kann die Fähigkeiten der generativen KI mit weiteren internen Daten kombinieren. Dies ermöglicht einen vereinfachten Zugriff auf die komplexen messebezogenen Informationen wie die Nomenklatur der Messe, die für Außenstehende nicht ohne Weiteres erkennbar ist. So kann das Angebot der ausstellenden Unternehmen einfacher für Besucherinnen, Besucher und andere Ausstellende zugänglich gemacht werden. Auch für das interne Wissensmanagement ist diese Art von KI hilfreich, denn die in verschiedenen Systemen vorhandenen Informationen sind mittels LLM leichter aufzufinden und entsprechend abrufbar.
Eine weitere Möglichkeit bieten Anwendungen des maschinellen Lernens. Diese helfen bei der Mustererkennung in großen Datenmengen und lernen gewissermaßen aus der Vergangenheit. Damit lassen sich Wartung, Logistik, Kapazitätsplanung und IT-Sicherheit optimieren.
Schließlich gibt es auch IT-Produkte mit KI-Funktionen. Gute Beispiele sind die Co-Piloten von Microsoft oder Github, die das Messepersonal bei der täglichen Arbeit unterstützen können.
Welche Risiken müssen vor dem Einsatz von KI-Diensten abgewogen werden?
Jede Technologie birgt Chancen, aber auch Risiken. Deshalb haben wir in unserer Testphase auch gezielt nach möglichen Stolpersteinen beim Einsatz von KI gesucht. Jede KI wird mit großen Datenmengen trainiert. Hier müssen wir als Unternehmen aufpassen, welche Daten preisgegeben werden dürfen und welche nicht. Datensicherheit ist immer ein wichtiges Thema beim Einsatz von KI. Auch die nachvollziehbare Sorge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, durch die Technologie überflüssig zu werden, darf nicht außer Acht gelassen werden. Im Dialog mit dem Betriebsrat haben wir im Pilotversuch jedoch schnell erkannt, dass Mitarbeitende durch KI unterstützt und nicht ersetzt werden.
Digitalisierte Services für Kundinnen und Kunden gibt es schon länger bei Messegesellschaften. Was verbessert die KI nun daran?
Künstliche Intelligenz hat einen enormen Leistungssprung gemacht. Die Messe Düsseldorf hatte bereits vor der Covid-Pandemie einen Bot im Einsatz, der dank KI bei der Spracherkennung relativ gut funktionierte. Allerdings konnte der Bot nur bei Themen antworten, die manuell vorgegeben waren. Inzwischen verbindet die KI eigene Inhalte toll mit Large Language Models und ist daher in der Lage, vielfältige Fragen in allen Weltsprachen zu beantworten. Mithilfe von Modellen für die Verarbeitung natürlicher Sprache kann die KI menschenähnlichere Gespräche führen, Informationen aus früheren Interaktionen nutzen, Kontexte verstehen und so weiter.
Werden wir erleben, dass humanoide Roboter sich durch die Messehalle bewegen und Besucherinnen und Besucher auf besondere Ausstellungsangebote hinweisen?
Auf der jüngsten EuroCIS, einer Messe für Retail-Technology, waren bereits einfache Roboter im Einsatz. Gemeinsam mit unserem Partner KPMG hatten wir beispielsweise einen digitalen Avatar im Eingangsbereich platziert, der unseren Besucherinnen und Besuchern messespezifische Fragen beantwortete oder ihnen etwa Auskunft zum Hallenplan gab. Das kam einer mobilen Infostation schon recht nahe. Wir können uns vorstellen, solche autonomen KI-gestützten Roboter zukünftig auch für unsere Kunden nutzbringend einzusetzen.
Die Fragen stellte Anne Böhl, Managerin Media im AUMA.